Zusammenbruch, Börsenabsturz, Beinahe-Insolvenz, staatliche Rettungs-Garantien, Aktionärs-Schadensersatzprozesse wegen fehlerhafter Marktinformationen, Verstaatlichung und Rauswurf der Minderheitsaktionäre sowie Streit um die Höhe der Abfindung – eine einzigartige und ungewöhnliche Auflistung der Geschehnisse für eine ehemals als seriös geltende Bankenholding.
Ein Zwischenbericht über die Ereignisse
Ständig neue Ereignisse bei der HRE geben Anlass einen kurzen Zwischenbericht über die Situation und aktuelle Verfahrenslage aus Sicht der betroffenen Minderheitsaktionäre zu geben.
Die Anwälte der Sommerberg führen zum einen Schadensersatzprozesse beim Landgericht München I wegen fehlerhafter Kapitalmarktinformationen für zahlreiche geschädigte HRE-Aktionäre. Zum anderen haben sie ebenfalls beim Landgericht München I ein gerichtliches Spruchverfahren eingeleitet mit dem Ziel, eine höhere Abfindungszahlung zugunsten aller Minderheitsaktionäre zu erwirken, die durch Verstaatlichung zwangsweise hinausgedrängt worden sind.
Zusammenbruch der HRE
Vor etwas über zwei Jahren am 15. Januar 2008 gab die Bankenholding überraschenderweise eine außerordentliche Abschreibung über EUR 390 Millionen Euro auf CDOs per ad hoc bekannt und sorgte mit 35 % für den bis dahin größten Tagesverlust eines DAX-Titels.
Seitdem ist die HRE nicht mehr zur Ruhe gekommen. Erst Anfang Oktober 2008 wurde nach und nach allgemein das wahre Ausmaß über die Wirtschaftsmisere bei der HRE bekannt: Wegen eines Liquiditätsengpasses drohte die Insolvenz. Wie sich herausstellte war die HRE und die Tochter Depfa Bank plc. in Wahrheit erheblich von der US-Subprime-Krise betroffen. Der Vorstand hatte sich am US-Immobilienmarkt total verspekuliert.
Staatliche Rettung
Um die Pleite abzuwenden wurde die in den Medien auch als Zombie-Bank titulierte HRE durch staatliche Garantiezusagen in dreistelliger Milliardenhöhe gestützt. Auch der Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin hat Garantien im hohen Umfang für die HRE zur Verfügung gestellt.
Schadensersatzforderungen geschädigter Aktionäre
Zahlreiche Aktionäre der HRE machen bereits Schadensersatzforderungen geltend. Der beim Landgericht München I in Summe angemeldete Schaden beläuft sich auf mittlerweile über eine Milliarde Euro.
Die betroffene Anleger haben erhebliche Verluste durch den plötzlichen Einbruch der Börsenkurse erlitten. Neben Kleinaktionären stellen auch professionelle Investmentfonds die Regressforderung.
Der HRE wird vorgeworfen, dass die Aktionäre erst viel zu spät über die Risiken aus der US-Immobilienkrise und aus dem Kauf der irischen Tochtergesellschaft Depfa Bank plc. informiert worden sind. Dadurch kam es zum faktischen Zusammenbruch des Immobilenfinanzierers. Dem Vorstand wird angelastet, dass er die eigenen Aktionäre über die miserable Finanzsituation der Gesellschaft viel zu lange im Unklaren gelassen und nicht rechtzeitig informiert hat. Betroffene Kapitalanleger fühlen sich getäuscht und geschädigt.
Erster Gerichtsentscheid sieht Versäumnisse der HRE
Mit einem wegweisenden Urteil vom 12. Juni 2009 hat das Landgericht München I (Az. 22 O 16205/08) die Hypo Real Estate verpflichtet, einem Anleger den Schaden zu ersetzen, der ihm durch den Erwerb von HRE-Aktien entstanden ist. Das Landgericht München I stellte dazu fest, dass die HRE im Vorfeld der Anlageentscheidung gegen ihre Informationspflichten verstoßen habe. Diese Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
Wir gehen davon aus, dass es noch mehrere Jahre dauern wird, bis über die Schadensersatzfrage abschließend entschieden ist.
Voraussichtliches Musterverfahren beim OLG München
Mittlerweile gibt es auch mehrere von klagenden Aktionären gestellte Anträge auf ein sog. Musterfeststellungsverfahren.
Es wird also voraussichtlich zu einem kollektiven Musterverfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz kommen. Dieses Gesetz bietet die Möglichkeit, in Schadensersatzprozessen wegen falscher, irreführender oder unterlassener Kapitalmarktinformationen ein Musterverfahren durchzuführen. Tatsachen– und Rechtsfragen, die sich in mindestens zehn individuellen Schadensersatzprozessen gleichlautend stellen, sollen in einem Musterverfahren gebündelt und einheitlich durch das Oberlandesgericht mit Bindungswirkung für alle Kläger entschieden werden. Das verbessert nicht nur die Rechtsdurchsetzung für den einzelnen Anleger, sondern steigert auch die Effizienz des Verfahrens. Ein wichtiger Vorteil ist, dass der einzelne Anleger so seinen Schadensersatzanspruch effektiv durchsetzen kann.
Faktische Verstaatlichung der HRE
Bereits am 5. Oktober 2009 hat außerordentliche Hauptversammlung der HRE einen sog. Übertragungsbeschluss gefasst. Dieser Beschluss legt den zwangsweisen Hinauswurf der Minderheitsaktionäre aus der HRE fest (sog. „Squeeze-out“). Betoffen sind Tausende von Aktionären, darunter auch der Investor JC Flowers.
Bei einem solchen Squeeze-out handelt es sich um eine enteignungsähnliche Maßnahme. Die Minderheitsaktionäre haben ihre HRE-Aktien zwangsweise an den Hauptaktionär zu übertragen haben, also an den staatlichen Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin.
Der Übertragungsbeschluss wurde dann am 13. Oktober 2009 in das Handelsregister HRE AG beim Amtsgericht München eingetragen. Dadurch sind kraft Gesetzes alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den SoFFin übergegangen.
Abfindung von 1,30 Euro je HRE-Aktie
Gemäß Übertragungsbeschluss erhalten die ausgeschiedenen Minderheitsaktionäre eine von dem SoFFin zu zahlende Barabfindung in Höhe von EUR 1,30 je Aktie. Die Aktien wurden kurz nach dem 13. Oktober 2009 aus den Depots der Aktionäre ausgebucht. Alleinaktionär der HRE ist seitdem faktisch der Bund.
Anwalt der Kanzlei Sommerberg lässt Abfindung gerichtlich prüfen
Für mehrerer Mandanten, die durch den Zwangsausschlusss betroffen sind, hat mittlerweile Rechtsanwalt Hasselbruch von der Sommerberg, die Einleitung eines sog. Spruchverfahrens beim Landgericht München I beantragt, um die Abfindungshöhe überprüfen und gegebenenfalls erhöhen zu lassen.
Das Verfahren richtet sich gegen den Finanzmarktstabilisierungsfonds SoFFin. Rechtsanwalt Hasselbruch dazu: „Ich habe hier beantragt, dass das Gericht die wirklich angemessene Barabfindung zu ermitteln und dann festzusetzen hat.“
Begründung: Die bisherige Abfindung von nur EUR 1,30 je HRE wird für viel zu gering erachten. Die Abfindungshöhe muss dem geltenden Recht zufolge dem tatsächlichen Aktienwert entsprechen und wird deswegen mit verschiedenen Argumenten für viel höher eingeschätzt. Sollte hier ein rechtskräftiger Gerichtsbeschluss ergehen, mit dem die Barabfindung höher als die bisherigen EUR 1,30 je HRE-Aktie festgesetzt wird, dann hat der SoFFin allen zwangsausgeschlossenen Minderheitsaktionären eine Nachzahlung zu leisten. Dies bedeutet, dass die Entscheidung des Spruchgerichts zugunsten aller von den Squeeze-out betroffenen Aktionären wirkt.
Wir rechnen auch hier mit einer mehrjährigen Dauer des Gerichtsverfahrens. Sollte es dann zu einer gerichtlichen Erhöhung kommen, so hat der SoFFin auch die über die Jahre angelaufenen Zinsen bezogen auf die Nachbesserung zu ersetzen.
Autor: Thomas Diler /
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