Aktuelle Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts im Wirecard-Musterverfahren

Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts (BayObLG) hat in dem Kapitalanleger-Musterverfahren in Sachen Wirecard (Az.: 101 Kap 1/22) am 13. Mai 2024 drei Beschlüsse erlassen, die aktuell eingetretenen Entwicklungen Rechnung tragen:

  1. Einleitung eines Insolvenzverfahrens hinsichtlich einer Musterbeklagten

Das Amtsgericht Limburg a. d. Lahn hat mit Beschluss vom 21. Februar 2024 für das Vermögen der bisherigen Musterbeklagten zu 7), der MB Beteiligungsgesellschaft mbH, einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und ihr ein allgemeines Verfügungsverbot nach der Insolvenzordnung auferlegt. Bei der MB Beteiligungsgesellschaft mbH handelt es sich um die private Vermögensverwaltungsfirma des ehemaligen Wirecard-Vorstands Herr Dr. Markus Braun, der als Hauptverantwortlicher des Skandals bei der Wirecard AG gilt.

In seinem ersten Beschluss hat das BayObLG festgestellt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes Rechtsnachfolger der MB Beteiligungsgesellschaft mbH im Musterverfahren geworden ist. Gleichzeitig ist das Musterverfahren gegen diesen Musterbeklagten unterbrochen worden. Das Verfahren gegen die übrigen zehn Musterbeklagten bleibt hiervon unberührt.

  1. Umwandlung der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in die EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Mit dem zweiten Beschluss hat der Senat den Antrag unter anderem des Musterklägers zurückgewiesen, die Parteibezeichnung der Musterbeklagten zu 2), dies ist die Wirtschaftsprüfungsfirma EY, von Amts wegen wieder in „Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, gesetzlich vertreten durch die Geschäftsführer“ abzuändern.

Dem Antrag lag zugrunde, dass die Gesellschafter der Musterbeklagten zu 2) eine Änderung ihrer Rechtsform beschlossen hatten; die Musterbeklagte zu 2) firmiert nunmehr als „EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“. Die Änderung war am 1. Februar 2024 in das Handelsregister eingetragen worden. Der Senat hatte daraufhin das Rubrum des Musterverfahrens von Amts wegen entsprechend berichtigt. Mit dem Antrag sollte diese Änderung rückgängig gemacht werden. Die Antragsteller haben vorgebracht, dass der Formwechsel insbesondere wegen Verstoßes gegen Gläubigerschutzvorschriften unwirksam sei.

Das BayObLG hat dem Antrag nicht entsprochen. Zur Begründung hat es betont, dass eine in das Handelsregister eingetragene Änderung der Rechtsform umfassenden Bestandsschutz genießt und im Interesse der Rechtssicherheit– selbst bei Vorliegen der von den Antragstellern behaupteten schwerwiegenden Mängel des zugrunde liegenden Umwandlungsbeschlusses und des Eintragungsverfahrens– grundsätzlich nicht rückgängig gemacht werden kann. Einer der wenigen anerkannten Ausnahmefälle von diesem Grundsatz liegt nicht vor.

  1. Anträge auf Abtrennung des Musterverfahrens gegen einzelne Musterbeklagte, insbesondere die EY GmbH & Co. KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Mit seinem dritten Beschluss hat der Senat die Anträge des Musterklägers und mehrerer Beigeladener, das Musterverfahren gegen die EY GmbH & Co.KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (Musterbeklagte zu 2) bzw. gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter des Vermögens der MB Beteiligungsgesellschaft mbH (Musterbeklagter zu 7) und gegen Dr. Markus Braun (Musterbeklagter zu 1) abzutrennen, abgelehnt.

Der Senat erachtet die beantragten Abtrennungen als unzulässig. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass es im Falle einer Abtrennung zu zwei parallelen Musterverfahren mit teilweise identischen Feststellungszielen käme, was der gesetzlichen Konzeption einer Bündelung aller Feststellungsziele in einem Verfahren zuwiderliefe.

Eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) scheidet nach Ansicht des BayObLG von vornherein aus, weil der den Gegenstand des Musterverfahrens bestimmende Vorlagebeschluss des Landgerichts München I vom 14. März 2022 keine Feststellungsziele enthält, die allein die MB Beteiligungsgesellschaft mbH betreffen.

 

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