Darlehens-Widerruf berechtigt: Kanzlei Sommerberg gewinnt gegen Landesbank Baden-Württemberg
Landgericht Ravensburg hat geurteilt (Aktenzeichen 2 O 243/16): Der Bankkunde konnte seine Darlehensverträge aus den Jahren 2004 und 2005 mit der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) auch noch im Jahr 2016 wirksam widerrufen.
Grund: Die von der LBBW gegenüber dem Verbraucher verwendeten Widerrufsbelehrungen sind fehlerhaft und konnten daher die zweiwöchige Widerrufsfrist nicht in Gang setzen. Dem Bankkunden steht daher ein ewiges Widerrufsrecht zu, das er auch noch Jahre nach Abschluss der Darlehensverträge ausüben kann.
Über den Fall berichtetet Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht André Krajewski (Kanzlei Sommerberg), der den Bankkunden gegen die LBBW vertritt.
Der Bankkunde hatte als Darlehensnehmer in den Jahren 2004 und 2005 zwei Darlehensverträge mit der Baden-Württembergische Bank (BW-Bank), einer unselbständigen Anstalt der LBBW, geschlossen. Mit unserer anwaltlichen Hilfe wurden die Darlehensverträge aufgrund fehlerhafter Widerrufsbelehrungen widerrufen, sagt Anwalt Krajewski. Die Widerrufsbelehrungen haben unter anderem folgenden Inhalt, der als unrichtig bzw. unvollständig gerügt wurde:
„Widerruf bei bereits erhaltener Leistung
Hat Herr [Name Bankkunde] vor Ablauf der Widerrufsfrist bereits eine Leistung von der Bank erhalten, so kann er sein Widerrufsrechts dennoch ausüben. Widerruft Herr [Name Bankkunde] in diesem Fall, so muss er die empfangene Leistung an die Bank zurückgewähren und der Bank die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herausgeben.“
Die LBBW hat die Widerrufe abgelehnt und darüber hinaus als Klägerin gegen ihren Kunden als Beklagten vor dem Landgericht Ravensburg eine sogenannte Feststellungsklage erhoben. Mit dieser Klage verlangt die LBBW gerichtlich festzustellen, dass der Widerruf des Kunden unwirksam ist. Die Verteidigung gegen die Klage wurde von der Kanzlei Sommerberg übernommen. Anwalt Krajewski erklärt: Wir freuen uns, dass das Landgericht Ravensburg nunmehr in erster Instanz die Klage gegen den von uns vertretenen Bankkunden abgewiesen hat und unserer Argumentation gefolgt ist.
Das Landgericht Ravensburg urteilte, dass die Klage der LBBW unbegründet ist. Die Darlehensverträge aus den Jahren 2004 und 2005 haben sich nämlich in Rückabwicklungsschuldverhältnisse umgewandelt, nachdem sie von dem Bankkunden wirksam widerrufen worden sind.
Die bei den beiden Darlehensverträgen erteilte Widerrufsbelehrung entsprach nämlich nicht den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB. Die Belehrung ist vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Einräumung eines Widerrufsrechts nicht ausreichend deutlich. Das Landgericht Ravensburg stellte dazu weiter wie folgt fest:
Das Widerrufsrecht des Verbrauchers hat verbraucherschützenden Charakter. Der Verbraucher soll in die Lage versetzt werden, sich auf einfache Art und Weise vom Vertrag wieder zu lösen, ohne die mit sonstigen Nichtigkeits- und Beendigungsgründen verbundenen, gegebenenfalls weniger günstigen Rechtswirkungen in Kauf nehmen zu müssen (OLG Stuttgart, Urteil vom 15.11.2016 – 6 U 121/16 unter II. 2.). Daher hat die Belehrung insgesamt gut verständlich zu sein und darf keine verwirrenden oder ablenkenden Zusätze enthalten (MüKo/Masuch, BGB, 5. Aufl. 2007, § 355 Rn. 46).
Diesen Anforderungen wird die streitgegenständliche Belehrung nicht gerecht. Nach der gesetzlichen Regelung sollen die Vertragsparteien im Ergebnis so gestellt werden, wie sie ohne den Vertragsabschluss gestanden hätte; die beiderseitigen Leistungen und die daraus gezogenen Nutzungen sollen wie beim gesetzlichen Rücktrittsrecht zurückgewährt werden. In der Belehrung der Klägerin wird aber lediglich darauf hingewiesen, dass der Darlehensnehmer im Falle eines Widerrufs bei bereits erhaltener Leistung dazu verpflichtet ist, die empfangene Leistung an die Darlehensgeberin zurückzugewähren und der Klägerin die von ihm aus der Leistung gezogenen Nutzungen herauszugeben. Nicht informiert wird der Darlehensnehmer jedoch über die korrespondierende Pflicht der Darlehensgeberin gem. § 346 Abs. 1 BGB, ihrerseits die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
Diese Belehrung ist für den Verbraucher verwirrend und ablenkend, denn er gewinnt dadurch den Eindruck, dass nur er im Fall des Widerrufs zur Rückgewähr und zum Nutzungsersatz verpflichtet ist, nicht aber die Klägerin als seine Vertragspartnerin, dass er also bei der Rückabwicklung wirtschaftlich benachteiligt ist.
Gegen dieses Ergebnis spricht nicht, dass die Belehrung über die Rechtsfolgen nach damaliger Gesetzeslage wohl insgesamt nicht erforderlich gewesen wäre, denn § 355 Abs. 2 BGB a. F. sieht eine dahingehende Belehrung nach seinem Wortlaut nicht vor, im Gegensatz etwa zu der damaligen Regelung des § 312 Abs. 2 BGB a. F. für die Belehrung bei Haustürgeschäften. Wenn aber entsprechende Passagen in die Belehrung aufgenommen werden, müssen sie klar sein und dürfen den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts dadurch ablenken, dass er nur über die ihn belastenden negativen Rechtsfolgen eines etwaigen Widerrufs belehrt wird, nicht jedoch über seine Rechte, durch die diese Belastungen wieder austariert werden.
Ob die Widerrufsbelehrung auch im Hinblick auf den Beginn der Widerrufsfrist undeutlich ist, kann dahingestellt bleiben.
Die Klägerin kann sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion gem. § 14 Abs. 1, Abs. 3 BGB InfoV berufen. Denn die Klägerin hat sich bei der Widerrufsbelehrung nicht an das Muster für die Widerrufsbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 BGB-InfoV gehalten. Dort beginnt nämlich die Belehrung über die Widerrufsfolgen mit folgendem Satz:
Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf. gezogene Nutzungen (zum Beispiel Zinsen) herauszugeben. (…)
Das Widerrufsrecht ist im vorliegenden Fall auch nicht verwirkt. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Zeitmoment für eine Verwirkung im vorliegenden Fall erfüllt ist. Es fehlt jedenfalls an der Erfüllung des Umstandsmoments (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2016, XI ZR 564/115). Allein die Ablösung des Darlehensvertrages ist kein Umstand, aus dem die Klägerin herleiten kann, der Beklagte werde in Zukunft von seinem ihm zustehenden Widerrufsrecht keinen Gebrauch machen. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Beklagte zum damaligen Zeitpunkt, als er die Darlehensverträge jeweils abgelöst hat (2009 und 2013), Kenntnis von seinem Widerrufsrecht gehabt hätte; dafür ist aber nichts ersichtlich.
Die Klägerin kann sich nicht auf den Einwand des Rechtsmissbrauchs berufen. Es ist grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich, das gesetzliche Widerrufsrecht auszuüben. Die Motivlage des Widerrufenden ist völlig unbeachtlich, es sei denn die Grenze zur Sittenwidrigkeit oder Schikane wird überschritten. Derartiges trägt aber auch die Klägerin nicht vor.
LG Ravensburg, Urteil vom 28. Februar 2017, Az. 2 O 243/16 – nicht rechtskräftig
Sommerberg
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