Versicherungsnehmer können weiter Rückabwicklung ihrer Lebensversicherung bei nicht ordnungsgemäßer Widerspruchsbelehrung verlangen

Sommerberg-Rechtsanwalt André Krajewski weist darauf hin, dass sich auch angesichts des BGH-Urteils vom 16. Juli 2014 in den allermeisten Fällen nichts an den guten Handlungsmöglichkeiten für falsch aufgeklärte Versicherungskunden ändert.

Der BGH hat entschieden, dass ein Versicherungsnehmer nach § 5a VVG a.F. ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer nach jahrelanger Durchführung des Lebensversicherungsvertrages keinen Bereicherungsanspruch besitzt (Aktenzeichen:IV ZR 73/13).

Rechtsanwalt André Krajewski von der Anlegerschutzkanzlei Sommerberg erläutert diese Gerichtsentscheidung: Der BGH hatte über eine Forderung eines Versicherungsnehmers auf Rückabwicklung seiner Lebensversicherung zu entscheiden. In dem Fall war die Widerspruchsbelehrung aber ordnungsgemäß und die Widerspruchsfrist längst verstrichen. Deswegen konnte der Kunde keinen wirksamen Widerspruch mehr erklären. Diese Entscheidung ist insofern nicht zu beanstanden.“

In vielen Fällen war und ist die Widerspruchsbelehrung aber unwirksam, etwa weil der Inhalt nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht oder weil die Widerspruchsbelehrung nicht drucktechnisch so hervorgehoben ist, wie es das Gesetz verlangt. In diesen Fällen können die Versicherungskunden noch unverändert den Widerspruch ihrer Lebensversicherung erklären und die Rückabwicklung (Prämienrückzahlung) von der Versicherungsgesellschaft verlangen.

In dem vom BGH mit Urteil vom 16. Juli 2014 entschiedenen Fall begehrte der klagende Versicherungsnehmer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge aus einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach einem Widerspruch gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Der Versicherungsvertrag wurde 1998 nach dem in dieser (von Mitte 1994 bis Ende 2007 gültigen) Vorschrift geregelten so genannten Policenmodell geschlossen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt der Kläger mit Übersendung des Versicherungsscheins die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation und wurde ordnungsgemäß nach § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt. Der Kläger zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Im Jahr 2004 kündigte er den Versicherungsvertrag und erhielt den Rückkaufswert. Im Jahr 2011 erklärte er den Widerspruch.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen, weil der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nicht fristgerecht innerhalb von 14 Tagen nach Überlassung der Unterlagen gemäß § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. erklärt habe.

Der unter anderem für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger kann nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz verlangen. Er hat die Prämien mit Rechtsgrund an die Beklagte geleistet. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Lebensversicherungsvertrag ist nicht wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 5a VVG a.F. unwirksam. Dabei war der erkennende Senat – anders als es in Bezug auf die Vorschrift des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. der Fall war (Senatsbeschluss vom 28. März 2012 – IV ZR 76/11; siehe auch Senatsurteil vom 7. Mai 2014, Pressemitteilung Nr. 78/14) – nicht gehalten, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Der Senat sieht ebenso wie die einhellige Instanzrechtsprechung und ein Großteil des Schrifttums keinen Anhaltspunkt dafür, dass die einschlägigen Bestimmungen der Zweiten und Dritten Richtlinie Lebensversicherung dem Policenmodell entgegenstehen könnten. Die Widerspruchslösung des § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. ist vor allem deshalb nicht zu beanstanden, weil die genannten Richtlinien keine Vorgaben zum Zustandekommen des Versicherungsvertrages enthalten, sondern dies dem nationalen Recht überlassen. Vor diesem Hintergrund entspricht § 5a VVG a.F. den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben der in den Richtlinien geregelten Informationspflichten in der Ausprägung, die sie durch die Auslegung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden haben. Eine vertragliche Bindung des Versicherungsnehmers konnte nach nationalem Recht erst nach der von den Richtlinien geforderten Verbraucherinformation eintreten. Auf diese Weise war eine nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union erforderliche Belehrung des Versicherungsnehmers vor dem (wirksamen) Zustandekommen und damit „vor Abschluss des Vertrages“ sichergestellt.

Die von der Revision begehrte Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union schied auch bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den in Rede stehenden gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen unvereinbar ist, nicht entscheidungserheblich ankam. Offenbleiben konnte daher auch, ob in diesem Fall alle nach dem Policenmodell geschlossenen Lebens- und Rentenversicherungsverträge ohne weiteres – selbst ohne Widerspruch – von Anfang an unwirksam wären – wie der Kläger meint – und ob sich darauf auch Versicherer – sogar nach Auszahlung des Rückkaufswertes oder der Versicherungsleistung – berufen könnten. Die Entscheidung dieses Rechtsstreits hing nicht von der unionsrechtlichen Frage ab, weil es dem Kläger auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt ist, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten. Der Kläger verhielt sich treuwidrig, indem er nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang durchführte und erst dann von der Beklagten, die auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangte.

 

 


Autor: Thomas Diler / Google+
Bildnachweis: Fotoschuh / fotolia.de

Weitere Artikel zum Thema

Sommerberg Anlegerrecht - Aktien

Widerspruch Lebensversicherung: Rückzahlung der Prämien und Nutzungsersatz

Wer muss gezogene Nutzungen darstellen? Hinweis des OLG Nürnberg-Fürth zum Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers bringt Klarheit.
Sommerberg Anlegerrecht - Börsefotolia.de / Fotoschuh

Weiteres Urteil zum Lebensversicherungs-Rücktritt (Widerspruch LV) erstritten

Rücktritts-Belehrung der PrismaLife AG ist fehlerhaft (Urteil LG Nürnberg-Fürth vom 31. März 2016 - Az. 8 O 5305/15).
Sommerberg Anlegerrecht - Aktien

Urteil gegen AachenMünchener Lebensversicherung AG – Gericht folgt Argumentation der Kanzlei Sommerberg zum Rücktrittsrecht eines Versicherungskunden

Ein Versicherungsnehmer kann von seiner Kapitalversicherung zurücktreten, wenn er nicht ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt wird.