OLG München: Positive Hinweise für Wirecard-Anleger zum Schadensersatz gegen EY
Ein am 9. Dezember 2021 publik gemachter Hinweisbeschluss des Münchener Oberlandesgerichts (OLG) verbessert die Chancen der Wirecard-Anleger auf Schadensersatz gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY).
Gericht lässt Wirecard-Anleger auf Schadensersatz hoffen
Der 8. Zivilsenat des OLG München stellt in seinem 17-seitigen Beschluss gravierende Mängel von Gerichtsentscheidungen in der ersten Instanz im Fall Wirecard fest. Zuvor hatte das Münchener Landgericht I (LG) Klagen gegen EY ohne weitere Beweisaufnahme abgewiesen. Laut OLG hätte das Landgericht aber – analog zum Dieselskandal – sehr viel genauer prüfen müssen, ob EY sittenwidrig vorsätzlich handelte. Die Wirtschaftsprüfer von EY hatten bekanntlich die falschen Jahresabschlüsse der Wirecard AG ohne jede Beanstandung mit ihren Testaten bestätigt.
LG München I hat keine eigene Sachkunde – Sachverständigen-Gutachten erforderlich
Das OLG München hat auf seine Einschätzung hingewiesen, dass sich das LG München I viel zu oberflächlich mit dem Wirecard-Fall befasst hat. Das OLG beanstandet vor allem, dass es dem Landgericht wahrscheinlich an „eigener Sachkunde“ fehlt, um die im Sonderunteruntersuchungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG geäußerten Vorwürfe gegen EY beurteilen zu können. Daher hätte ein Sachverständigen-Gutachten eingeholt werden müssen.
Das OLG München folgt damit der Argumentation der Kanzlei Sommerberg. Wir hatten bereits in unseren Klagen die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens beantragt, um zu ermitteln, ob die Wirtschaftsprüfer von EY sittenwidrig vorsätzlich gehandelt haben.
LG München I muss Bericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses beachten
Außerdem beanstandet das OLG München, dass das LG München I pflichtwidrig zum Nachteil der Anleger einfach den Abschlussbericht des Wirecard-Untersuchungsausschusses des Bundestags ignoriert hat. Das OLG rügte dieses Verhalten des LG München I sogar als „gehörswidrig“. Künftig werden sich die Münchener Landrichter daher mit dem vom Wirecard-Untersuchungsausschuss feststellten Fehlverhalten der EY-Abschlussprüfer konkret zu befassen haben.
LG München I wird Eröffnung eines Musterverfahrens empfohlen
Unseres Erachtens ist die Eröffnung des Musterverfahrens längst überfällig. Auch diese Sichtweise der Kanzlei Sommerberg wird nun vom OLG München gestützt. Mit seinem Hinweisbeschluss empfahl das OLG dem LG München I das Musterverfahren im Komplex Wirecard zu eröffnen.
LG München I hat überzogene Anforderungen an die Kausalität gestellt
Schließlich hat das OLG München das LG München I gerügt, weil es falsche Anforderungen an den für den Schadensersatz erforderlichen Ursachenzusammenhang, sog. Kausalität, gestellt hat. Bislang meinte das LG München I, ein Wirecard-Anleger müsse darlegen und beweisen, dass er das Testat von EY gelesen bzw. gekannt hat und zumindest auch hierauf seine Anlageentscheidung gestützt hat. Diese Sichtweise hält das OLG München für bedenklich.
Nach Einschätzung des OLG hätte vielmehr eine frühere Verweigerung des Testats durch EY auch einen früheren Insolvenzantrag der Wirecard AG zur Folge gehabt. Ausgehend davon spräche dann wohl die allgemeine Lebenserfahrung dafür, dass die Anleger die streitgegenständlichen Aktienkäufe in Kenntnis dessen nicht getätigt hätten, so das OLG München.
Im Ergebnis hat das OLG München mit seinen Hinweisen die Rechtspositionen der Anleger erheblich verbessert.
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