Bundesverfassungsgericht: Sommerberg-Anwalt bringt Aktionärsschutz bei Börsenrückzug auf den Prüfstand
Erstmals befasst sich das Bundesverfassungsgericht mit den Rechten von betroffenen Aktionären beim Rückzug eines Unternehmens von der Börse (Einstellung der Notierung der Aktien an der Börse, sog. Delisting).
Der Anlegerschutzanwalt Olaf Hasselbruch, tätig für die Kanzlei Sommerberg, erhob bereits im Jahr 2008 Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1569/08), um den Eigentumsrechtschutz für Minderheitsaktionäre höchstgerichtlich klären zu lassen.
In einer mündlichen Verhandlung äußerten sich die Richter des Bundeverfassungsgerichts am 10.01.2012. zwar teils kritisch zu einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2002 („Macrotron“-Entscheidung). Entscheiden wird das Gericht aber erst in einigen Monaten.
Es zeichnet sich jedoch ab, dass das Bundesverfassungsgericht die vom BGH geschaffene Praxis für einen Rechtsschutz für Minderheitsaktionäre als grundsätzlich richtig bewerten wird.
Bundesverfassungsgericht: Rechtsschutz für Aktionäre bei Delisting wird bestätigt
„Damit geht das Verfahren in eine positive Richtung. Wir sehen darin einen Teilerfolg“, berichtet Anlegeranwalt Hasselbruch. Denn das Bundesverfassungsgericht wird voraussichtlich für den Fall einer sog. regulären Delisting erstmals erklären, dass das gesetzlich nicht normierte und nur vom BGH geschaffene Recht für Minderheitsaktionäre auf Einleitung eines gerichtlichen Spruchstellenverfahrens zur Feststellung einer angemessenen Barabfindung richtig ist. Eine Änderung der vom BGH festgelegten Praxis komme nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Frage. Dies sei dann der Fall, wenn sie unter keinem Gesichtspunkt vertretbar sei, so der Vorsitzende Richter im mündlichen Verhandlungstermin.
Fazit: Bei einem Komplett-Rückzug von der Börse (reguläres Delisting) können die betroffenen Minderheitsaktionäre grundsätzlich über den Weg eines Spruchstellenverfahrens eine angemessene Abfindungszahlung beanspruchen. Hingegen wird bei einem partiellen Börsenrückzug, also bei einem Wechsel einer Aktiengesellschaft von einem geregelten Markt in Spezialsegmente des Freiverkehrs (Entry Standard oder M:access), kein Eingriff ins Vermögen der Aktionäre gesehen werden können, so dass hier die vom BGH geschaffene Spruchrechtspraxis nicht gelten soll.
Autor: Thomas Diler / Google+
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